Menschen und Maechte by Schmidt Helmut

Menschen und Maechte by Schmidt Helmut

Author:Schmidt, Helmut [Schmidt, Helmut]
Language: deu
Format: epub
Published: 2013-09-28T16:00:00+00:00


Carters Außenpolitik bricht zusammen

Spätestens seit der Jahreswende 1979/80 wurde mir deutlich, daß Jimmy Carter von großer Sorge um seine Chancen zur Wiederwahl im November 1980 gequält wurde. Seine auswärtige Politik wurde zunehmend auf kurzfristige innenpolitische Effekte hin orientiert. Dies betraf nicht nur den Iran; es galt noch mehr gegenüber der Sowjetunion. Im Verhältnis zu den Verbündeten der USA, insbesondere gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, ließ er bald Umsicht und Rücksicht vermissen. Sich Schulter an Schulter mit Jimmy Carter zu zeigen, wurde deshalb zu einem innenpolitischen Risiko für manche europäische Regierung – und jedenfalls für mich. Auch ich hatte im Herbst 1980 Bundestagswahlen zu bestehen, und Giscard hatte im Frühjahr 1981 Präsidentschaftswahlen. Carter brachte es fertig, sich nach Ausbruch der Afghanistankrise nacheinander mit uns beiden über Anlässe zu streiten, welche seine Administration aus Unachtsamkeit selbst geschaffen hatte.

Schon vierzehn Tage nach dem Beginn der sowjetischen Besetzung Afghanistans begann Carter, an Giscards Verläßlichkeit im Falle einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu zweifeln – völlig zu Unrecht, wie ich wußte und wie ich dem amerikanischen Präsidenten am 11. Januar 1980 in einem langen Telefongespräch erläuterte. Bei dieser Gelegenheit unterstrich ich die Notwendigkeit, in solchen Krisenzeiten die Kommunikation mit der Sowjetunion nicht abreißen zu lassen. Carter erwiderte, man müsse der Sowjetunion zeigen, daß ihr für ihr Verhalten eine Strafe auferlegt würde; deshalb sei es wichtig, daß sich alle unmißverständlich äußerten. Das Wort »alle« umfaßte für ihn ausdrücklich alle Verbündeten von Begin bis zu Giscard und mir.

Am 28. Januar 1980 hatte Carter seine »State of the Union Address« (Bericht zur Lage der Nation) zu halten. Angesichts der »ernstesten Bedrohung des Weltfriedens seit dem Zweiten Weltkrieg« beschwor er die Entschlossenheit der USA, die stärkste Nation zu bleiben; die Sowjetunion müsse einen »konkreten« Preis für ihre Aggression bezahlen. Nach diesen starken Worten kam die Ankündigung sehr begrenzter amerikanischer Schritte: das Verbot der sowjetischen Fischerei in amerikanischen Küstengewässern, ein begrenztes Ausfuhrverbot für bestimmte Agrarprodukte und Hochtechnologie-Ausrüstungen, schließlich die Ankündigung, im Falle einer Aufrechterhaltung der Besetzung Afghanistans den Olympischen Spielen in Moskau fernzubleiben. In diesem Punkt, so bat er mich am gleichen Tage in einem seiner vielen kurzen, persönlichen Briefe, möge ich ihm beipflichten: »… der bedeutsamste und wirksamste Schritt, um die sowjetischen Führer vom Ernst der Lage … zu überzeugen«.

Carter hatte die von ihm erstrebte gemeinsame Reaktion des Westens nicht mit den verbündeten Regierungen abgestimmt. Zwar hatten wir gegen die einzelnen Schritte nicht allzuviel einzuwenden, aber wir sahen deutlich, daß eine in sich schlüssige Krisenbewältigungsstrategie nicht vorhanden war. Deshalb erbat Ministerpräsident Cossiga (der dafür den Kreis der sieben Weltwirtschaftsgipfel-Teilnehmer vorschlug) mit Bonner Unterstützung eine umfassende Konsultation; Carter war dazu bereit, »auch wenn die Franzosen nicht zustimmen sollten« (!). In einem Telefongespräch wurde Carters Soupçon gegen Giscard erneut deutlich. Natürlich verteidigte ich den französischen Präsidenten. Im übrigen drängte ich noch einmal auf gemeinsame Abstimmung: Es komme darauf an, nicht nur den nächsten und übernächsten Schritt zu überlegen, sondern man müsse auch wissen, welche Maßnahmen man im fünften oder im zehnten Takt ergreifen könne.

Die Konsultation zu fünft (ohne Japan und Kanada)



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